Wir schreiben das Jahr 2019 und tatsächlich soll es noch Menschen geben, denen keiner gepetzt hat, dass man nicht so viel sitzen solle. Doch kein Grund zur Sorge: Selbst aus Sitzenbleibern sind noch große Flaneure geworden. Ich möchte Sie also einladen, es sich ausnahmsweise bequem zu machen. Denn was die Highline für Manhattan ist, ist BIKINI BERLIN für unsere Stadt: die aufregendste und größte Sitzmöglichkeit für Verhaltensforscher und Architektur-Liebhaber – und ganz nebenbei auch noch einzige Concept Shopping Mall Berlins.
Eine Bank gehört einfach zum Flanieren, wie das Popcorn zum Kino: Es geht auch ohne, aber dem Sinneseindruck bleibt man etwas schuldig. Denn wer sich eine kleine Pause gönnt, maximiert die Wahrnehmung des Drumherum. Zum Beispiel für die liebevoll kuratierten Produkte im Super Concept Store. Und Berlin sorgt sowieso seit je her dafür, dass es nie langweilig wird. Einmal nicht hingesehen und schon ist eine Lücke gefüllt oder ein Baudenkmal erstrahlt in neuer Pracht. Erinnern Sie sich an unser Haus vor der Modernisierung? Richtig, es gab ja auch nicht diese Bank.
Wer gut lauscht, hört vielleicht noch das Echo von 700 Nähmaschinen, an denen hier einst die neueste Damenmode gefertigt wurde. Heute gibt es die Erstkollektionen junger Designer bei Studio183 zu entdecken. Überhaupt hat sich seit seinem Bau in den 50er Jahren im BIKINI vieles getan. Abgeschliffene Berliner Gehwegplatten schlagen die Brücke von draußen nach drinnen und dem Putz beigemischte zerschredderte Glaspaneele der Originalfassaden glitzern in der Sonne. Um sich diese Symbolhaftigkeit durch den Kopf gehen zu lassen, sollte man sich wirklich besser hinsetzen.
Eine Verspätung fällt weniger auf, wenn man sich an einem Ort mit guter Sitzmöglichkeit verabredet. Man setzt noch einen drauf, wenn der Treffpunkt dem Gegenüber einen Grund bietet, das Smartphone gleich in der Tasche zu lassen. So bleibt die in letzter Sekunde geschickte Alibi-Nachricht ungelesen und man sieht sich direkt bester Dinge. Womöglich ist das Fenster am Affenfelsen darum so beliebt. Womöglich sind die Berliner überhaupt unpünktlich. Gut, dass man im Kantini nun bis 22:00 Uhr sitzen und alles in Ruhe genießen kann. Bon Appétit!